Ziel des Projekts ist die vergleichende Untersuchung der Metropolen Wien und Budapest zwischen 1916 und 1921 durch eine räumliche Perspektivierung auf alltags-, geschlechts- und jugendkulturelle Lebenswelten. Ausgehend von dem in den Geistes- und Sozialwissenschaften vollzogenen „spatial turn“ setzt sich „Metropolis in Transition“ mit ausgewählten „spatial stories“ in beiden Städten auseinander.
Die gegenüber dem etablierten zeitgeschichtlichen Periodisierungsschema angesetzte Verschiebung des Untersuchungszeitraums auf die Transformationsphase 1916 bis 1921 ermöglicht es, die sich wandelnden urbanen Funktionen sowohl während des Kriegs als auch in seinen unmittelbaren Auswirkungen zu analysieren und vergleichbare Handlungsformen in den Vordergrund zu stellen: Untersucht werden beispielsweise die sich wandelnden Repräsentationstechniken der Macht, die Umfunktionierung von Vergnügungsstätten, die räumliche Neukonfigurierung von Stadtteilen durch Migrationsbewegungen oder die durch die Erosion des Mittelstands bedingte Verschiebung vom Zentrum Richtung Peripherie.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs brachte einschneidende Veränderungen im Alltagsleben der ungarischen Hauptstadt mit sich: Flüchtlinge, Kriegsverletzte, Soldaten, für Lebensmittel anstehende Frauen und Kinder, Massenszenen in Straßenbahnen und später die Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft prägten zunehmend das Bild von Budapest. Die Herausforderungen, die mit der Verwaltung und Versorgung der Stadt im Hinterland verbunden waren, beeinflussten u.a. die Gestaltung von öffentlichen Räumen und die mit ihnen verbundenen Handlungsmöglichkeiten der Einwohner_innen. So wurde beispielsweise die Kunsthalle (Műcsarnok) am Heldenplatz direkt beim Stadtwäldchen kurz nach Kriegsausbruch in ein Lazarett umgebaut. Die Repräsentationsbauten wie die Burg und das Parlament bzw. die sie umgebenden Plätze behielten zwar ihre offiziell-repräsentativen Funktionen, wurden jedoch durch eine Vielzahl von Demonstrationen und Protestaktionen zunehmend in Anspruch genommen. Der Wohnungsmangel und die Teuerungswellen zogen nicht nur Notlösungen wie die Errichtung von Baracken, sondern auch die Bereicherung von Immobilienspekulanten, einer nicht unbedeutenden Gruppe der Kriegsgewinnler, nach sich. Pläne zur Konsolidierung des städtischen öffentlichen Lebens ließen sich, im Unterschied etwa zu Wien, erst ab Ende 1920 durchsetzen, allerdings unter einer deutlich autoritär-restaurativen Stadtführung.
Die für Budapest beschriebenen Einschnitte galten auch für Wien: Die zentraleuropäische Metropolenfunktion ging zu Ende, gleichzeitig unterlagen soziale, kulturelle und räumliche Praktiken einem grundlegenden Wandel. Es kam zu einer bisher kaum dokumentierten Raum-Zeit-Veränderung: Massenaufmärsche und Demonstrationszüge ersetzten Militärparaden; die Wohnungsnot brachte immer mehr „Großstadtnomad_innen“ hervor, die sich in Pensionen und billigen Hotelzimmern einquartieren oder in Obdachlosenasylen bzw. als Bettgeher_innen übernachten mussten, Kaffeehäuser und Parks wurden zu Treffpunkten des Schleichhandels, des Drogenmarktes sowie der Prostitution. Das Stadtbild war von Kriegslogistik (Truppentransporte, Versorgung von Kriegsversehrten, Fürsorgemaßnahmen) und den Reaktionen auf die Folgen des Kriegs geprägt. Gleichzeitig verlagerten sich in jenen Jahren die Zuschreibungen zu einzelnen Orten, die Raumkonfiguration veränderte sich: Vorstädte und Arbeiterbezirke durchliefen – besonders zu Beginn der Ersten Republik – eine soziale, politische wie architektonische Aufwertung, ehemals höfische Repräsentationsbauten eröffneten mit der Absetzung und dem Vermögensentzug der Familie Habsburg neue Raumnutzungsmöglichkeiten.