Mehr noch als die Hofburg symbolisiert Schönbrunn die Österreichisch-Ungarische Monarchie: An diesem Ort der Repräsentation und den Diskussionen über seine Nachnutzung sowie den unterschiedlichen Bemühungen der Neuadaption wird die Transitionsphase um 1918, der Übergang von der Monarchie zur Republik sichtbar.
Nach dem Ende der Monarchie geht das Schloss in Staatsbesitz über; es wird versiegelt, Mobiliar und andere Gegenstände werden inventarisiert – und die Frage der Neunutzung in Angriff genommen: Für kurze Zeit sind Kriegsinvalide in einem Seitentrakt untergebracht während die ehemaligen Kaiserappartements ab 1919 zum Museum umfunktioniert werden, das Ende der 1920er monatlich bereits etwa 20.000 Gäste anzieht. Ein Großteil des Schlosses jedoch soll der Verbreitung der Demokratie dienen und wird gegen viele Widerstände den sozialdemokratischen Kinderfreunden überlassen. Diese richten ab 1919 ein Kinderheim sowie die „Schönbrunner Schule“ für Erzieher_innen ein. Zentrales Programm dieser reformpädagogisch bedeuteten Institution, in der u.a. Alfred Adler lehrte, war die Erziehung zur Eigenverantwortung und zum demokratischen Denken. 1924 wurde sie geschlossen, anscheinend aufgrund von finanziellen Problemen und mangelhaften Sanitäranlagen.
An dieser Doppelfunktion Schönbrunns als Symbol der Monarchie einerseits, als Ort sozialdemokratischer Zukunftsvisionen andererseits zeigen sich die teils widersprüchlichen Ausverhandlungsprozesse in Wien nach 1918.